
„Und erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt“, so leitete die Schulleiterin Frau Conrad ihre Ansprache an den diesjährigen Abitursjahrgang ein - bereits der zweite, der sich unter schwierigen Corona-Bedingungen zur Abschlussprüfung gekämpft hatte, obwohl alle gehofft hatten, dass es dieses Jahr besser werden würde. Nach 16 Monaten unter Pandemiebedingungen erwies sich Corona leider als die „neue Normalität“ und verlangte dem Abschlussjahrgang 2021 nach mittlerweile zwei Lockdowns mit insgesamt sieben Monaten Fernunterricht, social distancing und gut gekühlten Klassenzimmern im Winter noch mehr ab als ihren Vorgängern.
Lediglich der Rahmen der Zeugnisverleihung in der Stadthalle ließ ein wenig an die „alten Zeiten“ erinnern, immerhin durften diesmal die Eltern und Lehrer wieder mit von der Partie sein und diesen besonderen Moment im Leben ihrer Kinder und Schüler live miterleben, obwohl es leider auch in diesem Jahr wieder kein Gruppenfoto, keinen Sektempfang und keinen Abiball geben konnte.
„Und erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt“ galt aber auch für die unglaublichen Ergebnisse, die dieser Jahrgang trotz aller Widrigkeiten hingelegt hat: Die 76 Schülerinnen und Schüler haben zusammen erstmals einen Schnitt von 2,0 erreicht, insgesamt sechs Mal wurde die Traumnote 1,0 erreicht, fast die Hälfte des Jahrgangs hat eine Eins vor dem Komma stehen, und alle haben bestanden – Corona zum Trotz!
In diesem Zusammenhang dankte die Schulleiterin auch allen beteiligten Lehrkräften, insbesondere den Oberstufenberatern Herrn Dr. Lindner und Herrn Schindele, die in diesem Jahr zusätzlich zu den Herausforderungen der Pandemie auch noch zum ersten Mal die neue mündliche Prüfungsordnung zu terminieren und durchzuführen hatten. Statt wie bislang ca. 60 mündlichen Prüfungen galt es dieses Jahr den Kraftakt von 160 Prüfungen an drei Tagen zu stemmen – ein unglaublicher Aufwand an Organisation!
Das launige Abimotto in diesem Jahr „AbiVegas – um jeden Punkt gepokert!“ hätten die Schülerinnen und Schüler gar nicht nötig gehabt, meinte Frau Conrad weiter in ihrer Rede, da Las Vegas für sie eine Welt der Illusion verkörpere, die Abiturienten aber bewiesen hätten, dass sie vollkommen in der Realität stünden!
„Nicht die Talente, nicht das Geschick zu diesem oder jenem machen eigentlich den Mann der Tat, die Persönlichkeit ist's, von der in solchen Fällen alles abhängt.“ Mit diesem Zitat von Johann Wolfgang von Goethe lobte Frau Conrad außerdem das vielfältige Engagement, mit dem sich die Schülerinnen und Schüler über den Unterricht hinaus in den letzten Jahren für die Schule eingebracht hätten, z.B. als Musiker, Schauspieler, Sportler, Jugendbegleiter, Lernunterstützer, Mathe-Asse etc. Damit, so Frau Conrad weiter, hätten sie einen umfangreichen Bildungsprozess über die reine Wissensvermittlung hinaus durchlaufen, dessen Tragweite und Bedeutung sich vielleicht erst in den folgenden Jahren erschließen werde. Mit Fähigkeiten wie sich zu motivieren, zu organisieren, sich trotz Sorgen und Widrigkeiten auf schulische Inhalte zu konzentrieren und sich eventuell Rat zu holen, sowie mit großer Anstrengungsbereitschaft und dem Glauben an sich selbst hätten sie die Selbstständigkeit und das notwendige Rüstzeug gewonnen, mit dem sich zukünftige Herausforderungen meistern ließen.
Ein besonderer Dank gebühre dabei auch den Eltern, die ihre Kinder in den vergangenen Lebensjahren stets begleitet, unterstützt, ermutigt und getröstet haben - sie würden heute ihre Kinder voller Stolz, aber vielleicht auch mit etwas Wehmut in die Freiheit entlassen, die ihnen nun ermögliche, ihre eigene Lebensbiografie zu gestalten.
Frau Conrad hob hervor, dass die Schülerinnen und Schüler dieses Jahrgangs dabei alles andere als Bildungsverlierer seien, denn sie hätten nun alle Chancen, sich dem neuen, spannenden Lebensabschnitt zu stellen – allerdings stünden sie auch vor immensen Herausforderungen, die ihnen immer wieder Multiperspektivität, verantwortungsvolles Handeln und Mut abverlangen würden, wenn sie sich nun selbstständig mit den Problemen unserer Zeit auseinandersetzen müssten. Sie forderte die jungen Menschen auf, sich diesen Herausforderungen zu stellen und wünschte ihnen einen sinnerfüllten Lebensabschnitt und dass sie ihr Glück finden mögen.
Sie beendete ihre Rede im Sinne von Christian Morgenstern: „Wir brauchen nicht so fortzuleben, wie wir gestern gelebt haben. Macht Euch nur von dieser Anschauung los und tausend Möglichkeiten laden uns zu neuem Leben ein.“
Im Anschluss daran hielt die diesjährige Scheffel-Preisträgerin Lisa Maria Blažević ihre Rede, in welcher sie einerseits die Widrigkeiten einer Oberstufenzeit unter Pandemiebedingungen betonte, aber auch die unvergesslichen Momente ihrer Schulzeit über den Unterricht hinaus hervorhob. Schulische Inhalte seien schnell vergessen, sagte sie, doch Erlebnisse wie Schullandheime, Adelsheim, Londonfahrt, Austausche, Debatingveranstaltungen, lustige Unterrichtsstunden, heiße Diskussionen, Theateraufführungen, Zirkusveranstaltungen oder das Weihnachtsoratorium hätten das Gemeinschaftsgefühl gestärkt und die Schulzeit zu einer ganz besonderen Lebensphase gemacht. Welch wichtige Rolle diese Dinge gespielt hatten, sei ganz besonders schmerzlich spürbar geworden, als sie von heute auf morgen nicht mehr möglich waren: „Erst als diese Freiheit uns in großem Maße entrissen wurde, wussten wir sie zu schätzen; wurde uns überhaupt deutlich, wie wichtig es ist, Freiheiten zu haben.“ Sie bedankte sich daher bei allen Lehrkräften, die den Schülerinnen und Schülern diese Freiheiten ermöglicht haben und ihnen auch im Unterricht immer wieder Gelegenheit gegeben hätten, eigene Meinungen und Entscheidungen einzubringen, um sie zu freien Menschen zu erziehen. Aber sie bedankte sich auch bei ihren Mitschülerinnen und Mitschülern, die diese Zeit mitgestaltet und zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht haben. Lisa blickte abschließend optimistisch in die Zukunft, die ihnen nun so „unglaublich viele Möglichkeiten“ bieten würde, und machte all denen Mut, die noch unsicher seien, wie es nun weitergehe, denn in den letzten beiden (Corona-)Jahren sei schließlich auch vieles unsicher gewesen, und sie hätten dennoch ihr Ziel erreicht!
Bei der folgenden Zeugnisübergabe und Preisverleihung wurden die Abiturientinnen und Abiturienten nun einzeln in ihren festlichen Kleidern auf die Bühne gebeten, wo sie die ersehnten Abschlusszeugnisse endlich in Empfang nehmen durften.
Umrahmt und musikalisch feierlich begleitet wurde die Zeugnisverleihung vom Oberstufenorchester der Jahrgangsstufe 1 mit den Stücken "Kanon in D" von Johann Pachelbel und "La Mourisque" von Tielman Susato.