ABIstokratie – Der Adel geht, das Fußvolk bleibt
Leistungsstarker Abiturjahrgang 2019 in der Backnanger Stadthalle feierlich verabschiedet
Von Markus Müller
Ein außerordentlich großer Abiturjahrgang erhielt bei sommerlich warmen Temperaturen die heiß ersehnten Reifezeugnisse. Die 113 Abiturienten erzielten einen weit über dem Landestrend liegenden Durchschnitt von 2,1. 43 Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs haben in ihrem Zeugnis eine eins vor dem Komma, insgesamt gab es viermal die Traumnote 1,0 und dreimal die Note 1,1. Damit ist der Abiturjahrgang 2019 einer der erfolgreichsten am MBG überhaupt.
In ihrer Ansprache lobte Schulleiterin Sonja Conrad diese starken Leistungen in den Abiturprüfungen und das große Engagement der Akteure im Schulleben als Jugendbegleiter, Techniker, Zirkusartisten, Debater u.v.m. und griff dabei das diesjährige Abimotto auf: „ABIstokratie – Der Adel geht, das Fußvolk bleibt!“ Mit dem Abitur, so die Schulleiterin, würden sie nun in der Tat zum Bildungsadel gehören, allerdings sei die Krone zunächst lediglich ein Blatt Papier. Nach acht Jahren Bildungsplaninhalten von Astronomie bis Zoologie werde ihnen wohl erst nach einer gewissen Zeit bewusst werden, welchen inneren Wert ihre Zeit am MBG für sie habe. Zahlreiche Privilegien hätten sie allerdings auch schon vor ihrer Erhebung in den Adelsstand genossen: Zum Beispiel zwölf Jahre lang einen klar strukturierten Alltag zu haben oder Eltern, die für sie gesorgt und dabei auch manchen nicht ganz so adeligen pubertären Exkurs mitgetragen hätten. Zu den Privilegien gehöre auch die sehr gute Vorbereitung auf die Prüfungen durch engagierte Lehrerinnen und Lehrer, das vielfältige Bildungsangebot auch über den Unterricht hinaus und, wenn dem so gewesen sei, „das Gefühl der Sicherheit, Hilfsbereitschaft untereinander, das entstandene Gemeinschaftsgefühl und die zahlreichen in der Schulzeit entstandenen Freundschaften.“ – „Adel verpflichtet aber auch,“ mahnte Sonja Conrad, „Verantwortung für sich und die Gesellschaft zu übernehmen“. Sie erinnerte daran, dass der Adel im Absolutismus nur noch die Rolle von Statisten im höfischen Zeremoniell spielen durfte oder gegen Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr mit der allgemeinen gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklung Schritt zu halten vermochte. Gerade die aktuellen politischen Entwicklungen mit Fake-News und einem erstarkenden Populismus würden nachdenklich stimmen: „Unterwerfen sie sich keinem selbsternannten König! Wir werden sie am MBG zwar sehr vermissen, aber die Gesellschaft braucht ihre intellektuellen Fähigkeiten und ihre Tatkraft auch!“
Corinna Seybold blickte als diesjährige Scheffelpreisträgerin für hervorragende Prüfungsleistungen im Fach Deutsch auf ihre Schulzeit am MBG zurück, wagte aber auch einen Ausblick auf die Zeit nach der Schule. Manche Abiturienten würden sich in Anbetracht der mit dem Abitur neugewonnen Freiheit nicht ungerne einen Wegweiser wünschen, wie dies zum Beispiel in „Harry Potter“ der sprechende Hut ist. Die frisch in Hogwarts ankommenden Zauberlehrlinge würden vom sprechenden Hut zunächst einer kritischen Prüfung unterzogen, wobei dieser in das Innerste der Kinder blicken könne und dann gemäß ihrer Persönlichkeit und Fähigkeiten die Klassenzuweisung vornehme. „Vielleicht würde er dann rufen ´Jurastudium mit anschließender Kanzleitätigkeit`, um genug Geld für den nächsten Lebensabschnitt in der Politik zu verdienen oder ´Ausbildung bei einer Bio-Gärtnerei`, um die erste Rooftop-Farm Backnangs zu eröffnen. Das wäre ziemlich praktisch, dann könnten wir alle“, so die diesjährige Scheffelpreisträgerin lakonisch, „diesen neuen Abschnitt beginnen in dem Gewissen garantiert das Richtige zu tun, ganz im Sinne eines lückenlosen Lebenslaufs. – Aber wenn dann unser Lebensziel und der Weg dorthin von Anfang an feststünden, was gäbe es dann noch zu erleben?“, fragte sie nachdenklich: „Genießt den Weg, probiert Neues aus und verlauft euch dabei hin und wieder. Irgendwann wird man schon noch an seinem Ziel ankommen, auch wenn es dann vielleicht ein anderes ist, als man das ursprünglich geplant hatte!“
Den Geschichtspreis für die Stadt Backnang überreichte der Baudezernent Stefan Setzer an Tim Lindner für seine herausragenden Leistungen im Geschichtsabitur. Stefan Setzer lobte in seiner kurzen Laudatio die besonnene, reflektierte und kritische Haltung des Preisträgers und verband mit der Preisübergabe den Wunsch, der Geehrte möge mit seinen vielfältigen Fähigkeiten seiner Heimatstadt Backnang erhalten bleiben und sich vor Ort engagieren und – in welcher Form auch immer – die Zukunft der Stadt mitgestalten.
Für den Förderverein der Schule gratulierte erstmals Rico Hahn in seiner neuen Funktion als Vereinsvorsitzender zum bestandenen Abitur. In Anlehnung an das berühmte Gelassenheitsgebet des amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr wünschte er den jungen Erwachsenen auf ihrem weiteren Lebensweg Mut, die Dinge zu ändern, die sie ändern können, Gelassenheit das Unabänderliche auszuhalten und Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Es folgte die Zeugnisübergabe und die Verleihung zahlreicher Preise für besondere Leistungen und großes Engagement auch im außerunterrichtlichen Bereich des MBGs. Für das musikalische Rahmenprogramm sorgte in diesem Jahr eine große Zahl an Abiturienten selbst, die als GottesdienstBand-AG in den vergangenen Jahren die Schulgottesdienste stets zu einem musikalischen Highlight gemacht haben. Mit dem Gospelstück „Create In Me“ setzten sie in der feierlichen Zeremonie den heiter beschwingten Schlussakkord.