
„Was hast du gedacht, als euer Musiklehrer euch angekündigt hat, dass er ein Konzert mit experimenteller Musik veranstalten möchte?“ „Ich war überrascht“, „Ich war gespannt“ aber auch: „Ich war nicht so motiviert, das klang irgendwie schräg“. Und tatsächlich erwartete die Zuschauer, die an diesem heißen Sommernachmittag den Weg ins Max-Born-Gymnasium gefunden hatten, eine echt ausgefallene Darbietung der Musik-Arbeitsgemeinschaften unter Leitung von Roger Gehrig. In stimmigem Ambiente mit buntem Scheinwerferlicht führte eine melodische Computerstimme namens „Musikana“ durch den Abend, erklärte die Stücke und wies auf Besonderheiten hin. Der Abend wurde eröffnet durch das Orchester, welches sich rund um die Zuschauer aufbaute und in Form von langgezogenen Klängen, die im Raum entstanden und ausgehalten wurden, die Zuhörer „Zeit als Musik“ erleben lassen sollten.
Anschließend spielte die Gitarren-AG „Richtige Dauern“ von Karlheinz Stockhausen und „1960#7“ von La Monte Young, bei dem die Musiker zunächst einen Zweiklang über längere Zeit im Raum entstehen ließen und dazu mit I-Pads synthetische Klänge zauberten.
Zum folgenden Stück „Eine kleine Gamelan Music“ von Daniel Goode erklärte „Musikana“, dass es sich hierbei um Musik handle, die allmählich zu einem Klanggewebe anwächst und dabei an indonesische Gamelan-Klänge erinnere. „Wie ein Raumschiff!“, flüsterte ein Zuhörer - Inspiriert durch die sphärischen Klänge im Hintergrund.
Auf die Frage, wie sie denn den Probenprozess empfunden hätten, meinten die Schüler, dass die neuartige Musik für sie anfangs fremd und komisch geklungen hätte, dass sie es aber auch überraschend und witzig fanden, und sie Spaß daran gehabt hätten, etwas Neues auszuprobieren. Einige hat es sogar zu eigenen Experimenten inspiriert: Sophia Schmidt-Ott und Anna Röck führten ihre Komposition „Klangstern I“ und „Klangstern II“ für vier Instrumentalisten auf und sogar die Mitglieder der Technik-AG fühlten sich zu einem eigenen musikalischen Beitrag angeregt: Die „Live-Klangkunst mit Mikrofonen und Flügel“ ließ mit Hilfe von Windesrauschen, Schnalz-, Klopf- und Schrittgeräuschen, begleitet von zarten Klaviertönen, unheimliche Bilder im Kopf entstehen.
Ganz ohne Instrumente kam die „Clapping Music von Steve Reich aus, bei der vier Ensemblemitglieder zusammen mit Roger Gehrig einen Grundrhythmus klatschten, der phasenweise immer um 1/8 Note verschoben wird, bis der ursprüngliche Rhythmus wieder hergestellt ist, Dabei verändern sich permanent Stimmung und Dynamik.
Greta Röper verblüffte mit dem Stück „4‘33‘‘“ von John Cage das Publikum, indem sie 4‘33‘‘ am Klavier saß und in aller Ernsthaftigkeit – nichts tat. Sie erklärte den Sinn dieses Stückes so: „Musik ist eben auch da, wenn man nicht spielt! Es ist ja trotzdem etwas „da“ – die Vögel, die man zwitschern hört, der Wind draußen, die Geräusche im Raum, die das Publikum macht…“ Das habe sie bei dieser Darbietung gelernt.
Freunde klassischer Musik kamen dann bei Gerard Rühms „Silben- und Wortstudien“ nach drei Stücken von J.S. Bach wieder auf ihre Kosten, indem Teile von Bachs Menuetten in Worte (aber ohne Sinn) „übersetzt“ werden, die ohne Tonhöhen die barocken Musikstücke in eine Art Sprechgesang aus Wortsalat überführen. Hier wurde auch wieder die Lust am Spiel mit der Sprache deutlich, die dekonstruiert und im Dienst der Musik neu arrangiert wird.
Den Abschluss bildete die „Minimal Music“ von Hanna Glaeser, welche kleine Abschnitte nach und nach verändert und zu etwas ziemlich Schrägem werden lässt.
Insgesamt waren sich alle Ensemblemitglieder einig, dass es Spaß gemacht habe und „interessant“ gewesen sei, mal etwas Neues auszuprobieren – dass sie sich aber auch schon wieder auf das „klassische“ Sommerkonzert am 20. Juli freuen würden. Für die Zuschauer war es allemal ein vergnüglicher und kurzweiliger Abend – auch sie fanden es „spannend“, mal etwas ganz Anderes erleben zu dürfen und mutig von Roger Gehrig, dass er am MBG Musik in ihrer ganzen Bandbreite aufleben lässt und mit den jungen Musikern auch mal ungewohnte Wege geht. Bei Kuchen und Snacks, die die Jahrgangsstufe 2 servierte, klang der Abend gemütlich aus.